30. Juni 2025

Gibt es Rezept für die Gesundheitsversorgung?

Immer mehr Kran­ken­häu­ser gera­ten in Schief­la­ge, Haus­ärz­te wer­den ver­zwei­felt gesucht. Was ist die Lösung für die­se Pro­ble­me? Dar­über dis­ku­tier­ten in Lan­ters­ho­fen Poli­ti­ker und Betrof­fe­ne aus der Gesundheitsbranche.

Es ist ein Wort­un­ge­tüm: Aber das Kran­ken­haus­ver­sor­gungs­ver­bes­se­rungs­ge­setz (KHVVG) soll die pri­va­ten und kom­mu­na­len Kran­ken­häu­ser in der Repu­blik und auf dem Land, wie etwa im Kreis Ahr­wei­ler, lang­fris­tig sichern. Mit den Ver­än­de­run­gen und die Anfor­de­run­gen an die Poli­tik beschäf­tig­te sich eine Podi­ums­dis­kus­si­on, zu der die Frau­en-Uni­on der CDU Graf­schaft in den Win­zer­ver­ein Lan­ters­ho­fen ein­ge­la­den hatte.

Tors­ten Wel­ling aus Och­ten­dung, Gesund­heits­exper­te der CDU im Land­tag, eröff­ne­te den Abend vor gut zwei Dut­zend Zuhö­rern mit einem Blick auf die Krank­haus­land­schaft: Seit 2018 sei­en im Land sechs Kli­ni­ken geschlos­sen wor­den, dar­un­ter St. Josef in Ade­nau. Fünf Kran­ken­häu­ser hät­ten eine Abstu­fung erfah­ren, acht Häu­ser sei­en in der Insol­venz, dar­un­ter DRK-Häu­­ser und das Kran­ken­haus Linz-Rema­­gen. Wel­ling zitier­te ein Gut­ach­ten fürs Land, das 105 Kran­ken­häu­ser erfasst habe, in der Grö­ße von 1387 bis zu vier Bet­ten. Die Notall­fall­ver­sor­gung sei sehr gut, die Bet­ten­aus­las­tung lie­ge unterm Bundesdurchschnitt.

Mehr Geld ist nicht die Ant­wort”, stell­te der CDU-Oppo­­si­­ti­ons­­po­­li­­ti­ker für Rhein­­land-Pfalz fest. Das von Minis­ter Lau­ter­bach (SPD) vor­ge­leg­te, beschlos­se­ne und auch von der neu­en Koali­ti­on aus CDU/CSU und SPD getra­ge­ne KHVVG kön­ne die Lösung sein. Doch im Land schaue die Ampel aus SPD, Grü­nen und FDP nur zu, mache selbst kei­ne akti­ve Kran­ken­haus­pla­nung. Viel­leicht bewe­ge sich ja etwas in Rich­tung Land­tags­wahl im März 2026, stell­te er kri­tisch fest.

Tina Vogel aus dem Bun­­des-Gesun­d­heits­­­mi­­nis­­te­ri­um mach­te klar, dass die Län­der ent­schei­den müs­sen, wie ihre Kran­ken­haus­land­schaft aus­se­hen soll und wel­ches Haus wel­che medi­zi­ni­schen Ange­bo­te aus den 61 Leis­tungs­grup­pen über­nimmt. Die Finan­zie­rung sol­le nicht nur über Fall­pau­scha­len (DRG) erfol­gen, son­dern ab 2028 vor allem über eine Vor­hal­te­ver­gü­tung: Kran­ken­häu­ser bekom­men Geld nicht nur, wenn sie ope­rie­ren und ver­sor­gen, son­dern auch schon dafür, dass sie Leis­tun­gen anbie­ten. Das Sys­tem sei in Nor­d­rhein-Wes­t­­fa­­len erprobt wor­den. Ob es sich wirk­lich rech­ne, sei per Aus­wir­kungs­tool nicht unter­sucht wor­den, muss­te Vogel auf Nach­fra­gen aus dem Publi­kum zugestehen.

Wie wird der Land­arzt­be­ruf attraktiv?

Im dop­pel­ten Wort­sin­ne aus sei­ner Pra­xis berich­te­te Bern­hard Mül­ler, seit 1998 in Ober­zis­sen ein Haus­arzt mit Leib und See­le. 97 Pro­zent aller medi­zi­ni­schen Fäl­le wür­den von Haus­ärz­ten ver­sorgt, hielt er den Kran­ken­häu­sern ent­ge­gen. Aller­dings wer­de in den nächs­ten fünf Jah­ren ein Drit­tel aller Haus­ärz­te alters­be­dingt auf­hö­ren. Eine Aus­bil­dungs­of­fen­si­ve und mehr Anrei­ze, Stich­wort Work-Life-Balan­ce, für den Land­arzt­be­ruf müss­ten her.

Sei­nen Pra­xis­all­tag schil­der­te er mit vie­len per­sön­lich erfah­re­nen Details und Bei­spie­len, rech­ne­te Stun­den­ver­dienst und Quar­tals­sät­ze vor. Er gei­ßel­te die Pri­va­ti­sie­rung von lukra­ti­ven medi­zi­ni­schen Berei­chen wie der Dia­ly­se, feh­len­de Pati­en­ten­strom­steue­rung wie einst durch die 10 Euro Pra­xis­ge­bühr. Er sprach von den Kran­ken­kas­sen als „Staat im Staat” sowie falsch geleg­ten Berech­nungs­grund­la­gen durch Lob­by­is­ten und die Kas­sen­ärzt­li­che Ver­ei­ni­gung (KV), denen die Poli­tik nicht ent­ge­gen­tre­te. Er plä­dier­te für den Haus­arzt als Lot­se durch das Gesund­heits­sys­tem, der sei­ne Pati­en­ten ken­ne, sie ent­spre­chend gezielt über­wei­se. Nur sol­che Effi­zi­enz kön­ne die Ter­min­not und Dop­pel­bu­chun­gen durch die Pati­en­ten gezielt reduzieren.

Hof­fen auf die Reform

Die Poli­tik hat den Knall gehört. Alles ist sehr kom­plex, mit sehr viel Akti­ven und Inter­es­sen”, fass­te Tors­ten Wel­ling die Mül­­ler-Kri­­tik zusam­men. Die neue Bun­­des-Koali­­ti­on wol­le ja mit einer Kom­mis­si­on eine wei­te­re Reform ange­hen, so etwa auch eine Entbürokratisierung.

Pia Wasem, CDU-Poli­­ti­ke­rin aus Sin­zig, plä­dier­te als Vor­sit­zen­de des För­der­ver­eins des insol­ven­ten Kran­ken­hau­ses Maria Stern in Rema­gen, der Kli­nik Linz-Rema­­gen doch die Zeit und das Geld zu geben, die geplan­te Reform für sich umzu­set­zen. „Ins­ge­samt ein The­men­kom­plex, in dem vie­les noch von vie­len dis­ku­tiert wer­den muss”, stell­te Mode­ra­to­rin Adria­na Schnei­der in ihrem Schluss­wort fest.

(Von Frank Bug­ge, Rhein-Zei­­tung vom 30.06.2025)